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Aus dem Archiv

von Lilo Herz

Nancy Huston: "Ein winziger Makel"

Um es vorwegzunehmen: dies ist ein literarisch großartiger, spannender und zu Herzen gehender Roman. Die Geschichte einer Familie wird von vier Kindern - zwei Jungen und zwei Mädchen im Alter von sechs Jahren - als Vertreter von jeweils einer Generation - erzählt. Verblüffend genau trifft die Autorin dabei den kindgemäßen (aber nicht naiven!) Ton. Herzerfrischend genau berichten sie von ihrer Perespektive aus mit wacher Beobachtungsgabe über die jeweiligen Zeit- und Familienereignisse. Ein Muttermal scheint das unsichtbare Band zu sein, das die vier Generationen vom Urenkel bis zur Urgroßmutter verknüpft. Es handelt sich dabei aber vielmehr um einen erzählerischen Trick der Autorin, um gekonnt die Spannung zu halten. Ein weiterer Kniff hält das Interesse und die Neugier des Lesers ständig wach: Sie stellt die Chronologie der Ereignisse auf den Kopf, beginnt mit der Gegenwart und erwähnt früher Geschehenes ganz am Schluß, so daß durch die eigenwillige Struktur des Romans der Leser fast fieberhaft auf die Lösung des Rätsels - ein Familiengeheimnis, das dem Roman zugrundeliegt - zustrebt. Die seelischen Nöte der Kinder werden so meisterhaft beschrieben und wecken so starke Anteilnahme, dass man das Buch am Schluss gleich noch einmal von vorn lesen möchte.

Nancy Huston Ein winziger Makel Rowohlt Verlag, 364 Seiten, EUR 19,90 Detailansicht | In den Warenkorb