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von Georg Lacher-Remy

Titus Keller: "Aussortiert"

Die Polizei jagt einen mysteriösen Serienkiller, der seine Opfer beliebig auszuwählen scheint und am Tatort jeweils eine provokante Notiz hinterläßt. Einem erfahrenen Krimileser kommt so ein Plot reichlich bekannt vor, und doch ist dieser Kriminalroman etwas Besonderes - in mehrerlei Hinsicht sogar.

Erstens: Der Roman spielt in Berlin. Das ist für Berliner natürlich ein besonderes Vergnügen, zumal Schauplätze wie die Hasenheide oder der Neuköllner Körnerpark konkret benannt und anschaulich beschrieben werden.

Zweitens: Bei dem Autornamen Titus Keller handelt es sich laut Klappentext um das "Pseudonym eines bekannten deutschen Schriftstellers". Und das merkt man beim Lesen auch, denn obwohl der Autor einen veritablen Krimi abgeliefert hat und die Spannung bis zur Lösung des Falles am Schluss hält, zeichnet er zugleich ein Bild Berliner und bundesrepublikanischer Realität, wie man es sarkastischer bisher kaum gesehen hat.

Kriminalkommissar Kai Nabel hat ein Alkoholproblem und ist heimlich in seine 13 Jahre jüngere Kollegin Lidia verliebt, die ihrerseits regelmäßig Kokain konsumiert. Ihr Dealer ist ebenfalls Polizeibeamter, der den Stoff aus beschlagnahmten Rauschgiftbeständen abgezweigt hat. Der oberste Vorgesetzte, Kriminaloberrat Dr. Seidel, hat von all dem keine Ahnung und zittert einzig und allein vor der Boulevardpresse, deren Vertreter hier konsequent Schweinezeitung, Hühnerblatt und Kälberjournal genannt werden. Doch auch die Journaille in Gestalt des Klatschkolumnisten Kistner hat Dreck am Stecken: er organisiert Drogen- und Sexparties und pflegt dabei seine Kundschaft heimlich zu filmen.

Während also das offizielle Berlin knietief im Sumpf der Amoral steckt, haben sich ausländische Banden im Untergrund breit gemacht, haben sich Ukrainer und Türken, Russen und Albaner die Bezirke unter sich aufgeteilt und verfolgen rigoros und gewalttätig ihre Ziele. AUSSORTIERT ist für deutsche Verhältnisse ein ziemlich blutiger Krimi - und alles andere als "politisch korrekt". Im Gegenteil, die Schläge, die der Autor austeilt, gehen oft gezielt und genüßlich unter die Gürtellinie, und wer danach keinen Anstoß nimmt, wird sich amüsieren wie z.B. in einem Tarantino-Film.

Titus Keller

Aussortiert

Eichborn Verlag, 280 Seiten, EUR 18,90

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