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von Lilo Herz

Eric-Emmanuel Schmitt: "Das Evangelium nach Pilatus"

Ostern ist, vielleicht noch mehr als Weihnachten, für viele gläubige Christen aber auch für Nichtgläubige ein Anlaß, sich wieder einmal mit dem Leben (und Sterben) von Jesus zu beschäftigen. Dazu muß man nicht unbedingt die Bibel lesen.

E.E. Schmitt schreibt darüber so packend, daß man die Lektüre nicht aus der Hand legen kann, obwohl doch das meiste bekannt ist. Interessant daran ist jedoch, daß er vieles von dem Bekannten in Frage stellt, indem er Jesus selbst über sein Leben (von Kindheit an) berichten läßt. In einem Prolog läßt der Autor den bereits zum Tode verurteilten Jeschua (so hieß Jesus auf Aranäisch) auf dem Ölberg über sein Leben reflektieren. Von Zweifeln zerrissen, hadert er mit sich selbst, ob er wohl seine Mission erfüllt habe oder gescheitert sei. Die Menschen mochten nur seine Wunder, die Liebesbotschaft prallte an ihnen ab. Nur seinem Lieblingsjünger hatte er anvertraut, daß er sterben wollte - durch seinen Verrat.

Der zweite Teil des Buches ist das eigentliche "Evangelium nach Pilatus", der in Briefen an seinen Bruder Titus über sein Leben als Statthalter Roms in Judäa berichtet. Er hatte Jesus, den er als "Magier" bezeichnet, hinrichten lassen, und nun - ist die Leiche weg! Er glaubt nicht an eine Wiederauferstehung und stellt verschiedene Hypothesen auf, was mit dem Toten geschehen sein könnte. Als seine Nachforschungen nichts bringen, stößt er an die Schwelle eines Mysteriums, dem er sich nicht gewachsen fühlt - trotz all seiner Macht. Ausgelöst durch seine gläubige Frau Claudia, die er abgöttisch liebt, macht Pilatus eine Wandlung durch: Erst sucht er verbissen den Leichnam Jesu, dann versucht er dessen Lehre zu begreifen. Er verfolgt ihn, als er ihn noch lebend glaubt, dann folgt er seinen Spuren... Vielleicht wird er ja eines Tages gläubig...

Wer aber ganz genau Bescheid wissen will über Jesus, die anderen Protagonisten und die Arbeit des Autors an diesem Werk, muß diese Buch schon wegen seines dritten Teils lesen. Sieben Jahre hat er daran gearbeitet und sich sicher intensiver als mancher Theologe mit dem Stoff befaßt. Und dann wird ihm das kostbare Stück mitsamt Computer und Festplatte auch noch gestohlen und er muß es nochmals schreiben! Die Sebstironie, Heiterkeit und Spritzigkeit, mit der E.E. Schmitt ganz zum Schluß dieses Malheur und das Leser-Echo auf sein Werk beschreibt, sind einmalig und ein unerwartetes besonderes Lese-Vergnügen.

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