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von Juliane Cassedy

Gabriel Garcia Marquez: "Erinnerungen an meine traurigen Huren"

Marquez gehört zu meinen Lieblingsautoren. Der Titel seines letzten Buches allerdings hat mich nicht sonderlich neugierig gemacht. Ich würde dieses kleine Kunstwerk ganz anders nennen, „Schlafende Schönheit“ vielleicht.

Mit Märchen haben die tatsächlich aus der Ich-Perspektive geschriebenen „Erinnerungen“ wenig Ähnlichkeit. „Im neunzigsten Jahr meines Lebens wollte ich mir zum Geburtstag eine liebestolle Nacht mit einem unschuldigen Mädchen schenken,“ überlegt sich der Protagonist und versucht sofort sich sein Geburtstagsgeschenk einzulösen. Sein ganzes Leben hat er nur die „käufliche Liebe“ gekannt. Nun plötzlich am Ende seines Lebens lernt er zu lieben und zärtliche Gefühle für einen anderen Menschen kennen: „In Wahrheit wusste ich nicht, wohin mit meinem Herzen, und wurde mir ob dieser Schwäche im Umgang mit der Liebe allmählich meines hohen Alters bewusst.“ Sein Herz hatte er nämlich schließlich verloren an jenes unschuldige Mädchen, das er dann nach dem Vorabend seines Geburtstags nunmehr beinahe täglich traf, ihr Geschenke brachte und sogar dafür sorgte, dass sie begann lesen und schreiben zu lernen.

Allerdings – und das ist wieder typisch Marquez – das Mädchen verschläft jede der Zusammenkünfte und das, was der Protagonist immer für Liebe hielt, Sex also, erlebt er nie, sondern jenes andere Gefühl, das ich hier kühn eben Liebe nennen würde.

„Weck sie auf, vögle sie bis zu den Ohren ...“, rät ihn am Ende „Casilda Armenta, eine wohlfeile Liebe aus alten Zeiten“, der er von seinem Herzenskummer erzählte. „Stirb ja nicht, bevor du das Wunder erlebt hast, aus Liebe zu vögeln.

Voller Humor und Wärme ist dieses Buch geschrieben, voller Lebensklugheit und Melancholie – ganz Garcia Marquez eben.

Gabriel Garcia Marquez

Erinnerungen an meine traurigen Huren

Kiepenheuer & Witsch, 160 Seiten, Taschenbuch, EUR 8,95

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