Aus dem Archiv
von Juliane Cassedy
Linn Ullmann: "Gnade"
71 Jahre alt ist Johan, pensionierter Zeitungsredakteur, als er von seiner unheilbaren Krankheit erfährt. Angesichts des nahen Todes blickt er auf sein Leben zurück, auf seine Kindheit, seine beiden Ehen, die unglückliche erste, aus der sein mittlerweile vierzigjähriger Sohn hervorgegangen ist und die glückliche noch andauernde zweite mit einer um etliche Jahre jüngeren Kinderärztin.
Johan erinnert sich nicht daran, je ein starker Mensch gewesen zu sein, der zu bedeutenden oder mutigen Taten fähig gewesen wäre. Aber er möchte nicht einen derart würdelosen Tod erleiden wie sein Vater, dessen erbärmliches Sterben bei seinen Angehörigen alle guten Erinnerungen an ihn auslöschte. Er bittet seine treue Begleiterin, seine Frau Mai, die er die Gnade seines Lebens nennt um einen für ihn gütigen, für sie schmerzlichen letzten Liebesbeweis.
Sterbehilfe ist das Thema dieses Buches, ein wichtiges Thema. Es geht auch um Würde und den Umgang zweier Partner miteinander, wenn beiden der nahe Tod des einen bekannt ist. Linn Ullmann lässt die mit großer Sicherheit auch vorhandene Einsamkeit und ihr Ringen um eine richtige Entscheidung von Johans Frau Mai außer acht und konzentriert sich auf die Innenwelt des Sterbenden und auf sein Ringen um Würde.
„Gnade“ ist ein trauriges, aber auch Mut machendes Buch, dass die Hoffnung weiter trägt, am Ende seines Lebens nicht verlassen zu sein.
Linn UllmannGnadeDroemer Knaur Verlag, 171 Seiten, Taschenbuch, EUR 8,95 |