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von Juliane Cassedy

Christa Wolf: "Kassandra"

Den Trojafilm habe ich mir nicht angesehen, obgleich mir schöne und athletische Männerkörper in Aktion, aber eben nur in sinnvoller Aktion, gefallen. Um dem Thema gleichwohl nahe zu sein, habe ich noch einmal eine meiner Lieblingserzählungen gelesen: „Kassandra“.

Christa Wolf erzählt in einer Adaption von Aischylos „Orestie“ die Geschichte der trojanischen Königstochter Kassandra, deren Schicksal es war, die Zukunft und damit auch den Untergang Trojas voraussagen, ohne dass ihr je geglaubt wurde.

Kassandra, als Gefangene des Agamemnon nach Mykene verschleppt, blickt, den nahen Tod vor Augen, in einer Art inneren Monolog noch einmal auf ihr Leben zurück. Sie fragt , wie, wann und warum der Krieg begann, der um ein Phantom, um Helena geführt wurde, die Paris nie nach Troja brachte. Sie erinnert sich an ihre Entfremdung von der Familie - der Preis, den sie für ihr Erkennen der heraufziehenden Kriegsgefahr zahlen muss und denkt an ihre Liebe zu Aineas - dem einzigen hoffnungsvollem Zeichen. Nach und nach lässt sie auch all jene schrecklichen Bilder und Szenen wieder zu, die sie im Krieg miterleben musste: die Demütigungen ihrer Familie, das leidvolle Sterben ihrer Brüder und schließlich der Untergang ihres Volkes.

Kassandra erlebt keine Heldentaten, weder von trojanischer, geschweige den von griechischer Seite. Achill, den heute wieder auferstandenen bejubelten Helden nennt Kassandra immer nur „Achill, das Vieh“, weil er erbarmungslos und hemmungslos tötet.

Christa Wolf eröffnet uns mit „Kassandra“ eine völlig andere Perspektive auf den Trojanischen Krieg und den Helden-Mythos. Es ist auch eine Erzählung über ein zeitgenössisches Problem: „Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg. Falls es da Regeln gäbe, müßte man sie weitersagen. In Ton, in Stein eingraben, überliefern. Was stände da? Da stände, unter anderen Sätzen: Laßt euch nicht von den Eigenen täuschen.“

Christa Wolf

Kassandra

Luchterhand Literaturverlag, 163 Seiten, Taschenbuch, EUR 7,50

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