Aus dem Archiv
von Juliane Cassedy
Karsten Krampitz: "Der Kaiser vom Knochenberg"
Auf den ersten Seiten schien mir, ich hätte wieder einen Roman wie „Herr Lehmann“ vor mir. Dieses war eines der witzigsten Bücher, die ich je gelesen hatte. Den gleichen lapidaren selbstironischen Erzählstil verwendet auch Karsten Krampitz in seinem „Kaiser von Knochenberg“. Es stellte sich aber schnell heraus, dass Krampitz eine ganz andere Geschichte erzählt.
Protagonist und Ich-Erzähler ist Tobias Schäbitz. Von Bekannten wird er wegen seines Geburtstages am 24.12. „Christkind“, von seiner Freundin Esther „Napoleon“ genannt - wegen seines verkrüppelten rechten Arms, den er ähnlich wie der berühmte französische Kaiser in die Jacke gesteckt trägt.
Und da ist schon der erste entscheidende Unterschied zu „Herr Lehmann“, der orientierungs- und bindungslos durch das Westberlin der Vorwendezeit pendelt, ohne Ideen für die Zukunft.
Napoleon, alias Tobias dagegen sieht sich gezwungen, über sein Leben und seine Zukunft nachzudenken, als seine Esther - wir Leser müssen es uns zusammenreimen - ihm ihre Schwangerschaft eröffnet: „’Ach, übrigens, was ich dir noch sagen wollte ...’ Und dann hat sie es gesagt.“ beschreibt Krampitz die Szene lapidar und fügt eine vorwegnehmende Phantasievorstellung seines Helden hinzu.
Soviel verrate ich Euch hier, ein Happy End mit Kleinfamilie im trauten Heim wird es nicht geben, die Partnerschaft der beiden wird zerbrechen ...
Ein Partnerschaftsproblembewältigungsroman ist dieses Buch allerdings auch nicht.
Denn mit den Gedanken an eine Zukunft gerät für Tobias Schäbitz die Vergangenheit wieder in den Blick. Er erinnert er sich ohne Sentimantalität an seine ungewöhnliche Kindheit und Jugend in einem kleinen Städtchen bei Berlin und erzählt mit viel schwarzem Humor von der Schulzeit, vom beruflichen Niedergang des Vaters, vom psychischen Absturz der Mutter und seinen immer erfolgreicheren Bemühungen, sich in der Außenseiterposition einzurichten.
Es gibt einige Parallelen im Lebenslauf des Autors Karsten Krampitz und seines Helden Tobias Schäbitz, das Gebutsdatum, das Studium in Berlin, die mysteriöse Krankheit, deren sichtbares Zeichen der verkrüppelte rechte Arm ist. Mag sein, dass Karsten Krampitz von sich selbst erzählt hat. Dies tut er aber so spannend und witzig, dass ich ihn begeistert lesend bis zum Ende begleitet habe
Und sollte ich Herrn Krampitz einmal in den Fluren der Universität treffen, so wird es vielleicht wie ein Wiedersehen zwischen alten Bekannten sein.
Karsten KrampitzDer Kaiser vom KnochenbergUllstein-List, 191 Seiten, Taschenbuch, EUR 7,95 |