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von Juliane Cassedy

Desarthe, Agnes: "Verliebt noch mal."

Obgleich in unserem Hause viele Jugendbücher herumstehen, lese ich sie - zugegeben – doch eher selten. Dieses Buch aber: "Verliebt noch mal!", der in Paris lebenden Agnes Desarthe hat mich schon auf der ersten Seite gefesselt. Ich habe es erst weggelegt, als ich es ausgelesen hatte.

Witzig und spannend erzählt die Autorin von den ersten Schritten in die Unabhängigkeit ihres jungen Helden Louis. Die Eltern hatten sich getrennt, der 18 Monate ältere innig geliebte Bruder Edson war nach Nizza auf ein Sportinternat gegangen, als die Geschichte und mit ihr Louis` Abenteuer beginnt: Louis, Kinoliebhaber und Fußballfan, leistet sich von den 120 Franc, die für die Schulversicherung vorgesehen waren, einen ganzen Kinotag mit fragwürdigen Erlebniswert und hat nun das Problem, das Geld wieder zu beschaffen. Bei diesen - seinen phantasievollen bis zweifelhaften Versuchen lernt er ein Mädchen kennen, das ihn an Pocahontas erinnert und seine Phantasien weckt.

Die ganze Geschichte wird unmittelbar aus der Perspektive des 14 jährigen Louis erzählt. Fast glaubt man zusammen mit dem Jungen durch Paris zu streifen, wie ein Freund, mit dem er seine Gedanken austauscht und seine Sicht auf die Erwachsenenwelt teilt. Seine clevere Problemlöseverfahren, die Genauigkeit seiner Beobachtung und die Brillianz seiner Erlebnissbeschreibung machen Louis außerordentlich symphatisch. Fast könnte ich mich selbst in den fröhlichen jungen Kerl verlieben, sein Witz und unbeschwerte Zuversichtlichkeit sind entwaffnend, nicht nur für Jugendliche.

Nun werde ich hingehen zu meinem Buchhändler und nachfragen, ob Agnes Desarthe ein weiteres Mal diese hervorragende Beschwörung einer Teenagerwelt gelungen ist.

Desarthe, Agnes

Verliebt noch mal.

Fischer Taschenbuch, 215 Seiten, leider vergriffen, EUR 6,90

Leseprobe

Eins

In der Pariser Metro haben die einzelnen Strecken keine Namen mehr, sondern Farben. Das ist neu.

Man hat es sich extra ausgedacht für die Leute, die nicht lesen können. In meiner Klasse gibt es etliche davon. Sie können zwar CD-Hüllen entziffern, aber nur, weil sie sie aus der Werbung im Fernsehen kennen. Ich weiß das, weil ich es früher, als ich noch klein war, genauso gemacht habe. Meine Mutter fragte mich jeden Morgen: »Willst du dein Nesquik?«, und eines Tages, als ich etwa 3 1/2 Jahre alt war, ging ich in die Küche, zeigte auf die gelbe Dose und sagte: »Schau, da steht Nesquik drauf.« Daraus schloss meine Mutter, dass ich lesen könne und ein Genie sei, aber das dachte sie auch schon vorher. Nichts ist leichter, als seine Eltern davon zu überzeugen, dass man ein Genie ist, ganz einfach, weil sie es erwarten.

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