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von Juliane Cassedy

Robert Harris: "Pompeji"

Es war das Latein, das zwischen mir und meinem Geschichtsstudium stand. Hätte ich in der Schule zufällig das Latinum gemacht, wäre ich jetzt vermutlich Historikerin. Glücklicherweise hat auch die Literatur vieles für Geschichtsliebhaber zu bieten: Zum Beispiel das jüngste Werk des schon mit „Vaterland“ und „Enigma“ bekannt gewordenen Briten Robert Harris.

Pompeij - dies sind die bekannten Fakten - die blühende Metropole am Golf von Neapel ging 79 nach Christus unter, nachdem der jahrhundertelang trügerisch ruhige Vesuv ausbrach und Popeij unter einer meterdicken Staub- und Gesteinsdecke begrub. Obgleich wir Leser wissen, auf welch grausiges Finale der Roman zusteuert, gelingt Harris die packende Schilderung der Schicksale Einzelner und der untergehenden Stadt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der junge aus Rom an den Golf versetzte Wasserbaumeister Marcus Attilus, der sich um die Aqua Auguste kümmern soll, den heute noch als bedeutenstes Bauwerk der Antike geltenden Aquädukt, der die lebenswichtige Wasserversorgung der Städte am Golf sicherstellt. Attilus Gegenspieler ist Numerus Popidius Ampliatus, ehemaliger Sklave, zu Reichtum gekommen und nun machtgieriger und skrupelloser als die heruntergekommene Adelsklasse. Wir wissen, dass die beginnende Zerstörung der Aqua Augusta den ersten Vorzeichen der heraufziehenden Katastrophe, den ersten Beben des Vesuvs zuzuschreiben sind. Wir wissen, wie alles enden wird, während wir Attilus und seinen Trupp auf seinen Expeditionen zur Reparatur des Aquäduktes begleiten. Und am Ende ist Attilus mit seinen Vorahnungen unserem Wissen sehr nahe gekommen.

Logisch eigentlich, dass ich mich gleich nach seinem Erscheinen auf diesen Roman gestürzt habe. Schon immer haben mich die Lebensweisen und Ansichten vergangener Kulturen interessiert. Dieses Buch, so spannend zu lesen, hatte alles zu bieten , was ein historischer Roman braucht: Überlieferte Personen und Ereignisse vermischt mit dramatischen Geschehnissen, die fiktive Figuren erleben.

Robert Harris

Pompeji

Heyne Verlag, 378 Seiten, Taschenbuch, EUR 8,95

Leseprobe

Sie verließen den Aquädukt zwei Stunden vor Sonnenaufgang und erklommen bei Mondschein die Berge oberhalb des Hafens - sechs Männer, einer hinter dem anderen, mit dem Wasserbaumeister an der Spitze. Er hatte sie selbst aus den Betten geworfen - mit noch steifen Gliedern und mürrischen, verschlafenen Gesichtern -, und jetzt hörte er, wie sie sich hinter seinem Rücken beklagten. Ihre Stimmen trugen in der warmen, stillen Luft weiter, als ihnen bewusst war.

»Ein Hirngespinst«, murmelte jemand.
»Knaben sollten bei ihren Büchern bleiben«, sagte ein anderer.
Er ließ seine Schritte länger werden.
Lass sie schwitzen, dachte er.

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