Aus dem Archiv
von Kerstin Schmidt
Terry Jones: "Wie der tapfere Tom auszog, um Knappe zu werden"
Sicher ist Ihnen Terry Jones aus den legendären Monty-Python-Sketchen gut bekannt. Oder Sie denken sofort an die Mutter des „Brian“ – in dieser Rolle war er unübertroffen! Hätten Sie gedacht, dass er auch Kinderbücher schreibt? Ich jedenfalls war ziemlich erstaunt – und nach dem Lesen: sehr positiv überrascht! Hatte ich doch zuerst mit einem „Ritter der Kokosnuss“ oder mit einem „Jabberwocky“ für Kinder gerechnet...
Aber Toms Geschichte, die in einem kleinen Dorf vor 600 Jahren beginnt, ist einfach nur spannend und lustig erzählt. Tom wäre ein ganz gewöhnlicher Bauernbengel – gäbe es da nicht einen sehr feinen Unterschied. Außer ihm kann kein Mensch im Dorf Lesen und Schreiben. Der Priester hat’s ihm beigebracht. Und der Priester wünscht sich, dass Tom als Schreiber in den Dienst seines Abtes tritt. Aber Tom möchte viel lieber Knappe werden und für seinen König in den Krieg ziehen. Also läuft er kurzerhand von Zuhause weg.
Doch die Feinde, auf die er als erstes trifft, heißen: schlechtes Wetter, Hunger, verschlossene Stadttore und die ständige Angst, gefasst und nach Hause zurückgebracht zu werden. Zu seinem Glück trifft er Alan, einen gewitzten Burschen, der schon längst gelernt hat, dass man als stets ehrliche Haut nicht besonders weit kommt. Alan ist der Knappe des fetten, launischen und stets fluchenden Sir John – ein Ritter, so ganz anders, als Tom es sich immer vorgestellt hat. Aber Tom wird im Laufe seiner Abenteuer noch so manche Überraschung erleben...
Ich habe dieses Buch an zwei Abenden durchgeschmökert. Terry Jones erzählt packend und witzig. Und natürlich bleibt nicht viel übrig vom Ruhm und den Heldentaten der „edlen“ Rittersleut. Am Beispiel der beiden sympathischen jungen Helden erfährt man aber ganz nebenbei eine Menge vom durchaus nicht einfachen Leben der armen Leute im Mittelalter. Denn vom Krieg ihrer Könige haben diese ganz und gar nichts. Und als Tom eines Tages die Bibliothek eines Klosters in Flammen aufgehen sieht, beginnt auch er an seinem Entschluss zu zweifeln...
Terry JonesWie der tapfere Tom auszog, um Knappe zu werdenBertelsmann Verlag, 288 Seiten, Taschenbuch, EUR 7,00 |
Leseprobe
Einige Zeit später, als der Bettelmönch eingeschlafen war, kroch Alan zu Tom und flüsterte: „Wir müssen hier weg!“
„Er scheint Engländer nicht besonders zu mögen“, stimmte Tom zu.
„Das Einzige, was er mag“, sagte Alan, „ist Essen.“ Er hatte den Rucksack des Mönchs durchwühlt und darin einen Käse, etwas Schinken und eine große Wurst entdeckt. „Der alte Schlingel hat es versteckt. Aber uns kann es mehr nützen als ihm.“
„Du willst es doch nicht etwa stehlen?“, flüsterte Tom.
„Warum nicht? Er hat es doch auch gestohlen.“
„Woher willst du das wissen?“
„Wie soll der denn sonst daran gekommen sein?“ Alans Stimme hörte sich spöttisch an.
„Er ist ein Bettelmönch“, antwortete Tom. „Er könnte es erbettelt haben.“
„Du meinst, er hat es von einer armen, gutgläubigen Witwe bekommen und ihr versprochen, einhundert ‚Ave Marias‘ für ihre Seele zu beten“, sagte Alan. „Das ist doch Stehlen, oder nicht?“
„Vielleicht betet er tatsächlich einhundert ‚Ave Marias‘ für sie“, entgegnete Tom.
„Hast du ihn auch nur das kleinste Gebet füstern hören?“, fragte Alan.
Tom schüttelte den Kopf.
„Mach schon“, sagte Alan. „Solange er noch schläft.“
„Nein“, sagte Tom entschieden. „Er hat uns das Leben gerettet. Wir können ihm doch nicht alles nehmen!“
Alan verdrehte die Augen. „Nun hör mir mal zu“, zischte er dann, „wir sind hier in Frankreich. Das ist Feindesland. Daher können wir tun, was wir wollen.“
„Ich glaube, wir sind in Flandern“, flüsterte Tom, während er versuchte, Alan den Rucksack zu entreißen.
„Er ist Franzose“, sagte Alan und riss seinerseits an dem Beutel.
„Aber er war gut zu uns“, antwortete Tom.
In diesem Augenblick ließ ein Geräusch die beiden Jungen erstarren. Es war kein besonders lautes Geräusch, sondern hörte sich eher wie ein leichtes Klirren oder ein lang gezogenes Kratzen an. Es war eigentlich ein völlig unbedeutendes Geräusch, aber die beiden wussten sofort, wodurch es verursacht worden war. Ihre Herzen hüpften ihnen fast aus den Augen heraus, denn sie hatten das Geräusch als das eines Schwertes identifiziert, das aus der Scheide gezogen wird. Und als sie sich umdrehten, stand der Bettelmönch tatsächlich mit einem Schwert in der Hand da und blickte sie mit zusammengekniffenen Augen scharf an.
„Soso, da hab ich ja ein schönes Diebespaar gefangen“, sagte er und machten einen Schritt auf sie zu.
„Sag ihm, dass wir jemanden überrascht haben, der den Rucksack durchwühlte, und dass wir gerade überprüfen wollten, ob nichts gestohlen worden ist“, flüsterte Alan.
Aber Tom hatte keine Zeit, auch nur ein einziges Wort zu sagen, denn die Schwertklinge sauste plötzlich durch die Luft und Alan und er ließen den Rucksack fallen und sprangen zurück.
Verglichen mit einem Maschinengewehr oder einer Boden-Luft-Rakete, mag ein Schwert ja eine harmlose Angelegenheit sein. Aber wenn du an Toms oder Alans Stelle gewesen wärst und die Klinge an deiner Nase hättest vorbeisausen sehen und der so entstandene Luftzug deine Frisur durcheinandergebracht hätte, dann hättest du es nicht mehr für so harmlos gehalten.
Das Entscheidende an Schwertern ist, dass sie nicht aus Holz gemacht sind, sondern aus Stahl. Kaltem Stahl. Und sie sind scharf. Stell dir das schärfste Küchenmesser oder eine Rasierklinge vor – und zwar einen Meter lang und so schwer wie ein Baseballschläger –, dann kannst du dir in etwa vorstellen, wie gefährlich ein Schwert wirklich ist...
Mehr? offizielle Webseite von Monty Python Flying Circus (englisch)