Gedicht der Woche 14/2025
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Trauer Vor andern schützen mich die Lügen, Sind sie nur gut genug. Aber mich selber zu betrügen, Ist sinnlos. Selbstbetrug Hilft nicht bei Trauer. Sie ist untäuschbar. Und sie liegt In mir wie ein Polyp auf Lauer, Der tausend Arme hat und siegt. Ich zwing sie nieder für zwei Stunden, Und das verfluchte Selbstmitleid Verjage ich mit scharfen Hunden. Doch fliehn die beiden niemals weit. Sie kehrn versteckt zurück und springen Mich aus dem Dunkel wieder an. Ich helfe mir mit lautem Singen, Wenn ich mir nicht mehr helfen kann. Nach außen heißt das: ich bin heiter. Warum auch nicht? Das Leben zieht Mit mir als Vorspann ruhig weiter. Und keiner weiß, was mir geschieht Eva Strittmatter
aus "Mondschnee liegt auf den Wiesen"
Aufbau Verlag 1975